30 Jahre „Musik am 13.“ Festkonzert mit Jörg-Hannes Hahn
Stuttgarter Nachrichten |
Der Anlass ist ein Festkonzert wert: Vor 25 Jahren kam Jörg-Hannes Hahn nach Stuttgart-Bad Cannstatt und hat als Bezirkskantor die damals gerade mal fünf Jahre alte Konzertreihe „Musik am 13.“ zu einem Schatzkästlein voller Neu- und Wieder-Entdeckungen und voller (freundlich verpackter) Herausforderungen gemacht. Die Musik des 20. Jahrhunderts ist profilbildender Bestandteil von Hahns Programmen, und sie prägt auch die Jubiläumsveranstaltung am Dienstagabend in der Lutherkirche, in deren Zentrum Igor Strawinskys „Psalmensinfonie“ von 1930 steht.
Die Umstände der Aufführung sind allerdings nicht optimal. Die Sängerinnen und Sänger des Bachchors Stuttgart sind durch Plexiglaswände voneinander getrennt; man kann hören, dass sie sich nicht immer optimal hören, der Klang des Gesungenen vermischt sich erst oben im hohen Kirchenraum und träufelt von dort ohne die letzte Kontur und Artikulationsschärfe zurück auf die Ohren des Publikums. Strawinskys Orchestrierung – reizvoll durch den Verzicht auf hohe Streicher und den fantasievollen Umgang mit Bläserfarben – hätte dem Chor Unterstützung bieten können. Jörg-Hannes Hahn aber hat, sicherlich auch den Abstandsregeln in Coronazeiten geschuldet, Strawinskys Fassung für Klavier zu vier Händen gewählt. Das Klavierduo Stenzl spielt seinen Part hoch konzentriert und sehr genau, wird aber durch die Kirchenakustik vom Chorklang abgetrennt.
Die Klavierversion verstärkt das Kahle, Skelettierte, Kühle und Konzepthafte der Partitur (Strawinsky selbst betonte, er habe keine Sinfonie schreiben, sondern nur drei ausgesuchte Psalmen sinfonisch behandeln wollen). Aber auch der Klang des Flügels diffundiert. Weder die Deklamationen im ersten Satz noch die barockisierende Fuge im Mittelsatz sind klar zu hören. Die Stille, zu der das Finale schließlich gelangt, zelebriert der Jubilar am Pult allerdings eindrucksvoll – der Mut, dabei über die Nüchternheit der Partitur hinauszugehen und zum Beispiel die Generalpause vor dem „Alleluja!“ emotional aufzuladen, hat sich unbedingt gelohnt.
Im Übrigen kann man auch bei diesem Konzert genießen, was insgesamt zum Erfolgsrezept von „Musik am 13.“ gehört: einen roten Faden, eine zwingende Dramaturgie. Die „Psalmensinfonie“ auf zwei extrem kontrastierende Choral- Ideen (nämlich Bachs „Jesus bleibet meine Freude“ und György Kurtágs „Zornigen Choral“ aus „Játékok“) folgen zu lassen, ist eine geniale Idee, die den Blick für Strawinskys unkonventionellen Umgang mit Altem und Neuem schärft. Schuberts f-Moll-Fantasie, mit der der Abend begonnen hat, passt dazu zwar nur insofern, als auch sie alle formalen Konventionen sprengt. Sie ist aber einfach wunderschöne Musik.