Herbstliche Milde


Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten | Susanne Benda

Den „ergreifendsten Nachtgesang“ habe sich der Komponist Max Reger 1915 mit seinem letzten vollendeten Werk geschaffen: So vermerkte es nach der (Stuttgarter!) Uraufführung von Regers Klarinettenquintett beeindruckt der Kritiker des „Stuttgarter Neuen Tagblatts“. Man könnte das, nach der Aufführung des tatsächlich herbstlich milden Stücks bei der Reger-Nacht von „Musik am 13.“ in der Stadtkirche Bad Cannstatt, glatt wieder so schreiben. In der Darbietung des Kahlo-Quartetts und des Klarinettisten Norbert Kaiser hatte das Werk am Freitagabend weder Opulenz noch Pathos; im Vordergrund stand stattdessen eine zärtliche Innerlichkeit.

Ein Stück des Loslassens war hier zu hören: zwar harmonisch in einer Weise geschärft und polyphon durchdrungen, dass man die neuen Zeiten schon deutlich hören konnte, dabei aber auch frei schwingend. Die Dichte der Durchführung erinnert an Brahms (dessen Quintett die Klarinette auch zitiert), der Drang zum Singen an Mozart. Im Scherzo wechseln Lachen und Weinen, und ähnliche Gegensätze prägen auch den Variationensatz zum Schluss.

Die eindrucksvolle, enorm lebendige Aufführung war einer der Höhepunkte eines Abends, mit dem die Stuttgarter Konzertreihe in Zusammenarbeit mit der Musikhochschule Max Regers 150. Geburtstag feierte. In vier Stunden erlebte man ein Panorama dessen, was der Komponist (jenseits des Sinfonischen) geschaffen hat: Orgelmusik (mit Studierenden von Jürgen Essls Orgelklasse), Lieder (sorgsam und klangschön gestaltet von der Sopranistin Jutta Hochörtler und der Pianistin Eun Chong Park), Kammermusik.

Und Chormusik. Für Glanz sorgte hier ein Ensemble, das eigentlich nur projektweise zusammenkommt: Der Stuttgarter Hochschulchor sang mit viel Ruhe und Ausdruck, exzellenter Phrasierung, sehr guter Intonation und Stimmverschmelzung schlichte choralbasierte Sätze ebenso wie Strophenlieder und komplex Gegenstimmiges von Reger und Zeitgenossen. Denis Rouger am Pult, zurückhaltend dirigierend, hatte die jungen Sängerinnen und Sänger so gut vorbereitet (und erfolgreich auch an der Aussprache und vor allem der Konsonantenbehandlung gefeilt), dass er im Konzert loslassen konnte. Die Musik floss sanft dahin, und nicht nur am Ende des fünfstimmigen „Kreuzfahrerlieds“ war zu hören und zu bestaunen, dass auch ein verhaltenes Chor-Piano noch voll klingen und Substanz haben kann.

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