Hoffnung, Freude, Trost – und ein Stromausfall


Stuttgarter Zeitung | Verena Großkreutz

Von einem achteckigen Raum kathedraler Weite mit einem leeren Wasserbecken in der Mitte träumte Farzia Fallah, als sie „Windows letting in strange lights“ komponierte: einem Raum mit bunten Bleiglasfenstern und einer Luke, die einzelne Lichtstrahlen hineinlasse, schreibt die iranische, seit 2007 in Deutschland lebende Komponistin. Klar, die Acht steht im Christentum für die Auferstehung Christi, und achteckig sind oft auch Taufkapellen und Taufbecken. In der Uraufführung ihres Werks in der Bad Cannstatter Stadtkirche im Rahmen eines Sonderkonzerts der Reihe „Musik am 13.“ wurde das „strange light“, das in die heilige Dunkelheit des assoziierten Raums fällt, als intensiver Hornruf oder in immer wieder aus neuen Impulsen erwachsenden, lebendig bewegten, irisierenden Klängen erlebbar. Alles entwickelte sich aus einem einsamen Flötenflatterzungenton: flächig, sich langsam aufschichtend in farbigen Stimmen, in mikrotonalen Abtönungen bebend, flirrend, sirrend, sich reibend. Feine Musik, in der sich der Spirit der folgenden Bachkantate „Es wartet alles auf dich, daß du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit“ BWV 187 auf sinnliche Weise widerspiegelte – wunderbar umgesetzt vom Stuttgarter Kammerorchester in der Leitung von Jörg-Hannes Hahn.

Mitten im Stück wird die Kirche dunkel

„Musik am 13.“ hatte zwei Instrumentalwerke in Auftrag gegeben, die sich offenbar auf zwei der drei aufgeführten Kantaten des Abends beziehen sollten, so auch „Blick nach Innen“ von Sebastian Bartmann, der in diesem Werk für Kammerorchester originale Klänge aus der Bachkantate „Er erforsche mich, Gott, und erfahre mein Herz“ BWV 136 verarbeitete. Er nahm das „Erforsche“ dabei so ernst, dass er Bachs Klänge wie „durch ein Mikroskop betrachtet“ in Szene setzte. Auch er beginnt sein Stück mit flatterndem Flötenton – der Beginn einer weiten Steigerungskurve, die pointiert auf einem letzten Geigenzupfer endet. Dazwischen: schwebende Klänge über bewegter Streicherfläche, mit Stillen dazwischen, Melodiefragmente, eine erhabene Hornstimme.

Mitten im Stück wird die Kirche dunkel. Stromausfall in Bad Cannstatt. Doch zum Glück spielt das Stuttgarter Kammerorchester seit längerem von Tablets. So gibt’s keine Zäsur, und irgendwie fügte sich der Stromausfall gar nicht so schlecht ein ins musikalische Gefüge, das sich an dieser Stelle etwas verfinsterte.

Nach neuen Klangwelten in die musikalische Vergangenheit zurückzuswitchen, erzeugt stets einen besonderen Effekt. In diesem Fall klang Bachs Barock jeweils schärfer gestochen, klarer, farbiger – trotz weiterhin recht starkem Kirchenhalleffekt, unter dem der Gesamtklang von Hahns Kammerchor Cantus Stuttgart gelegentlich litt. Insgesamt erfuhren die Bachkantaten aber eine bodenständige Aufführung mit guten Solostimmen von Yuna-Maria Schmidt (Sopran), Jasmin Hofmann (Alt), Lars Tappert (Tenor) und Olivier Nilles (Bass). Und wie in den neuen Instrumentalstücken glänzten auch hier solistisch die Flötistin Gaby Pas-Van Riet, der Oboist Christian Schmitt und der Hornist Gerard Serrano Garcia.

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