Qualität ist das beste Rezept
Cannstatter Zeitung |
Herr Hahn, was war der Auslöser für die Gründung der Musik am 13.?
Das kann ich nicht ganz genau sagen, da ich die Reihe nicht gegründet habe, sondern mein Vorgänger an der Stadtkirche, Thomas Schäfer, er hat die Reihe im Jahr 1990 gegründet. Ich habe sie mit meinem Stellenantritt als Stadt- und Bezirkskantor am 1.1.1996 übernommen, vorher war ich als A-Kantor nur für die Cannstatter Lutherkirche zuständig gewesen.
Und warum am 13.?
Der Mär nach handelt es sich um einen Geburtstag, der auf diesen Tag fiel. Und der Name war damals klug gewählt, ein wenig auch assoziiert man damit die »Wilde 13.«.
Jetzt nach 25 Jahren – ist es eine Glückszahl für Sie geworden?
Aber ja! Nicht ganz ohne Mühe hat sich diese Reihe entwickelt, die früher ein zartes, aber schon bei der Gründung einzigartiges Pflänzchen war. Mittlerweile haben wir bei Musik am 13. so viele treue und oft begeisterte Besucher, dass es eine Freude ist, für diesen Baum, der seit langem starke Wurzeln hat, verantwortlich zu sein und ihn zu hegen.
Hätten Sie gedacht, dass es diese Musikreihe mal so lange geben wird?
Einerseits bin ich eher der nachhaltige Typ, der nicht spontan etwas in Angriff nimmt und dann wieder umwirft. Vielmehr entspricht mir, dass ich mit Überlegung plane und aufbaue. Allerdings dachte ich damals nicht in solch großen Zeiträumen. Dass die Reihe nun schon so lange besteht und ich mir über 500 Programme ausgedacht habe, macht mich glücklich und auch ein wenig stolz.
Was war Ihr Ziel, als Sie die Reihe ins Leben riefen?
Da muss ich die Lorbeeren an meinen Vorgänger weitergeben: Thomas Schäfer hatte zur damaligen Zeit das richtige Gespür, denn einerseits war sein Programmkonzept mit der Fokussierung auf oft einen Komponisten und auf Neue Musik etwas Besonderes, andererseits war die Festlegung auf einen regelmäßig wiederkehrenden Termin ein Alleinstellungsmerkmal, das sich bei den Besuchern einprägte.
Wieviele Konzerte gab es seither?
Unsere Psalmensinfonie am 13. Juli wird das 534. Konzert der Reihe Musik am 13. – inklusive der Sonderkonzerte mit großem Orchester und des jährlichen internationalen Zyklus’ „Sommer! Orgel“ – sein. Allerdings haben wir doch eine ganze Reihe an Konzerten außerhalb dieser Reihe veranstaltet, denken wir zum Beispiel an die Benefizkonzerte zugunsten der Orgelrenovierungen an der Stadt- und Lutherkirche.
Was waren die Höhepunkte dieser Konzertreihe?
In Anbetracht der Menge beeindruckender Ereignisse ist es nicht einfach, wenige Projekte besonders herauszuheben. Für mich persönlich waren mein vollständiger Bach-Orgelzyklus im Jahr 2000, die Aufführung der Lukas-Passion von Krzysztof Penderecki im Jahr 2007 und die Aufführung von Bernd Alois Zimmermanns bedeutsamem »Requiem für einen Jungen Dichter« am 9. Februar 2020, also kurz vor dem ersten Lockdown, die wohl herausragendsten Ereignisse.
An was erinnern Sie sich besonders gern?
Da fallen mir zuallererst die vielen schönen Erlebnisse mit meinen Chören ein, etwa eine Chorfreizeit oberhalb des Genfer Sees und danach 14 Aufführungen aller Bach-Motetten mit meinem Kammerchor Cantus Stuttgart, oder Aufführungen des Bachschen Weihnachtsoratoriums beziehungsweise der Matthäuspassion im Auditorio Nacional Madrid, Choraufführungen in Wien, Prag, London, Rom, Beijing und Shanghai und so weiter.
Auf was dürfen sich die Zuhörer am 13. Juli beim Jubiläumskonzert freuen?
In Anbetracht der Pandemie habe ich das Programm etwas verändert. Unsere Hörer erwartet am 13. Juli um 20 Uhr in der Lutherkirche Musik für Klavier zu vier Händen mit einem abschließenden Chorwerk. Strawinskys Pslamensinfonie gilt als eines der schönsten Werke der Chorliteratur, das für diesen Anlass ganz wunderbar passt!
Wie lange planen Sie die Konzerte vor?
Das ist jedes Jahr etwas verschieden: Alle Aufführungen bis Ende 2022 sind programmatisch und künstlerisch bereits fest geplant, eigentlich steht aber auch die erste Jahreshälfte 2023 schon, und sogar ein großes Ereignis im Beethovensaal der Liederhalle Ende Juli 2024 ist schon in der Planung.
Die Künstler sind international. Was sind Ihre Auswahlkriterien für die Musikreihe?
Ganz einfach: Qualität ist immer das beste Rezept. Zunächst ist es wichtig, auch beim eigenen Musizieren und bei den hauseigenen Ensembles kritisch zu bleiben. Natürlich kenne ich viele Künstler persönlich und kann auf ein Netzwerk für Empfehlungen zurückgreifen. Gleichzeitig muss die Reihe auch finanzierbar bleiben. Bisher gelang es uns tatsächlich allermeist, für das mögliche Budget ausgezeichnete Solisten zu finden.
Woher kommen die Besucher, wie groß ist der Einzugskreis?
So ganz genau wissen wir das nicht bei jeder einzelnen Veranstaltung. Überwiegend stammen unsere Besucher sicher aus der Region Mittlerer Neckar, anhand der Vorverkaufslisten sehen wir aber, dass Besucher sogar vom Bodensee, aus Freiburg, Darmstadt oder München anreisen. Und beim Zimmermann-Requiem letztes Jahr kamen die Besucher aus dem ganzen Bundesgebiet und dem angrenzenden Ausland.
Wie sieht es aus mit der Förderung von Musik am 13., wie trägt sich die Reihe?
Zunächst danke ich unseren Kirchengemeinden, dass sie die Reihe auch in schwierigeren Zeiten immer solidarisch getragen haben. Wichtig war außerdem, dass Stadt und Land vor einigen Jahren ihre Zuschüsse um fast 100 Prozent erhöht haben, was durchaus auch eine Würdigung der Arbeit hier in Cannstatt ist. Wir haben auch bei vielen weiteren Förderern und Stiftungen Glück, dass diese regelmäßig unsere Projekte unterstützen. Und nicht zuletzt sind es die Spenden nach den Konzerten, die mit Ausnahme der Sonderkonzerte immer bei freiem Eintritt stattfinden, und private Spenden, die unsere Konzertreihe Musik am 13. ermöglichen.
Was wünschen Sie sich für die nächsten Jahre für die Musikreihe?
Das wichtigste ist, dass wir die Einschränkungen der Pandemie hinter uns lassen, indem sich alle Menschen impfen lassen. Nur dann werden ein öffentliches Leben und ein Konzertleben wieder unbeschwert und uneingeschränkt möglich sein. Dann können auch wieder groß besetzte Konzerte in vollen Kirchen stattfinden und wir können mit mehr als 30 oder 60 Prozent Auslastung planen. Es wäre mein größter Wunsch, dass unsere Bevölkerung vernünftig wie auch solidarisch handelt und sich konsequent impfen lässt. Und dann hoffe ich natürlich, dass unsere Besucher uns durch das ganze Kirchenjahr begleiten und unser Programm mit Alter wie Neuer Musik, kleinen wie großen Besetzungen, mit eigenen Ensembles wie mit Gästen wertschätzt.
Seit vielen Jahren bieten Sie auch in der Stadtkirche den Zyklus „Sommer! Orgel“ an. Auf was dürfen sich in diesem Jahr die Zuhörer freuen?
Eigentlich könnte diese Reihe auch »Internationaler Orgelsommer« heißen, denn die Organistinnen und Organisten kommen überwiegend aus dem Ausland. Alle sind ausgewiesene Meister ihres Faches und bringen spannende Programme mit, die für unsere Orgel und unsere schöne Stadtkirche perfekt passen! In diesem Jahr ist der gemeinsame Schwerpunkt aller sechs Recitals der französische Komponist Camille Saint-Saëns, aus Anlass von dessen 100. Todestag.